1.1.0 Einleitung

Viele von uns gehen davon aus, dass das, was wir mit unseren Sinnesorganen (Sehorgane – Augen) wahr nehmen, der Wirklichkeit entspricht. Für unsere Vorvorfahren war dieser Ansatz selbstverständlich, sie nahmen die Welt über ihre Augen wahr und sahen das als gegeben hin.

Heute wissen wir, dass wir nur Teile der Wirklichkeit über unsere Augen wahr nehmen können:

  • Viele aufgenommenen Informationen werden in unserem Gehirn zu einem Gesamtbild zusammen gesetzt. Ob das der Realität entspricht hängt auch von unseren bisher gemachten Erfahrungen ab (eine ausführliche Begründen in anderen Blogs).
  • Sehr vieles aus unser Umwelt können wir mit unseren Augen nicht erfassen,
    1. das sind Bereiche im mikroskopischen Bereich (z.B. die Einzeller, Viren, aber auch im molekularen oder atomaren Bereich usw.)
    2. sowie im makroskopischen Bereich (z.B. das, was die Astrophysik erforscht). In früheren Jahrtausenden waren für die damals lebenden Menschen auch die Dimensionen der Erde und der Kontinente, auf dem sie lebten, für sie nicht begreifbar – sie besaßen nicht die Möglichkeiten diese Dimensionen in ihr Weltbild einzuordnen.

Das liest sich für manche wahrscheinlich irgendwie crasy. Daher versuche ich es mit einem Beispiel zu beschreiben:

Unsere Augen registrieren alles was in unserem Gesichtsfeld auftaucht und senden diese Informationen an unser Gehirn, in dem die Informationen nach Wichtigkeit gefiltert werden. Beim Autofahren nehmen wir nur das bewusst wahr, was eine Gefahr bedeuten könnte oder unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht (ein abrupter Bremsvorgang oder ein ungewöhnliches Auto). All die Bäume am Straßenrand nehmen wir nicht bewusst wahr. Bremst vor uns ein Auto abrupt, dann bremsen die erfahrenen AutofahrerInnen reflexartig, Millisekunden bevor ihnen die Gefahr bewusst wird. Ist es ein ungeübter Fahrer, dann muss das Gehirn erst die Information verarbeiten bevor der Fahrer bewusst das Bremspedal drückt.

Kam es dabei zu einem Unfall und wurde dieser von mehreren Zeugen beobachtet, dann kann es zu unterschiedlich Aussagen kommen weil jeder den Zusammenstoß anders gesehen haben könnte.

 

Seit Beginn des Menschseins oder wahrscheinlich treffender formuliert, seit Beginn des sich seiner Selbst und der Umwelt bewusst werden, veränderte und erweiterte sich das Welt- und Menschenbild immer wieder. All die neuen Auslegungen und Erkenntnisse dürfte von einzelnen Personen ausgegangen sein, deren Ideen und Vorstellungen sich erst durchsetzen mussten. Bei diesen Ideen dürfte es förderlich gewesen sein, wenn sie dem Menschen positiv erschienen.

Vieles braucht seine Zeit bis es für immer mehr Menschen zum allgemeinen Wissensgut wird. Bis dahin bestimmt überkommenes und bereits widerlegtes Denken und Handeln das Alltagsgeschehen.

 

Über unser Welt- und Menschenbild

Unser Welt- und Menschenbild hat sich in der Zeit, die wir anhand von Belegen aber auch Mutmaßungen überblicken können, immer wieder und teilweise grundlegend verändert.

Heute blicken wir auf eine Zeit zurück, die in den christlich aber auch moslemisch geprägten Gesellschaften vom Gedankengut der Antike bestimmt wurde. Die Älteren von uns wurden noch nach dem jeweiligen religiösen Weltbild sozialisiert. Wir werden in die Welt unserer direkten Vorfahren hineingeboren und übernehmen von ihnen die Erfahrungen, Werte, Normen und damit auch das Welt- und Menschenbild.

In jungen Jahren beginnt dann für manche das Hinterfragen. Andere wiederum lehnen das mit den neuen Erkenntnissen verbundenen neue Denken und Handeln ab, weil sie dadurch den Verlust ihres festen Weltbildes fürchten.

Meine als Kind erworbene Weltsicht beruht auf der Bibel mit ihrer Schöpfungsgeschichte. Aber es gibt viele andere Schöpfungsgeschichten denen zumeist eines gemeinsam ist, dass wir Menschen von höheren Wesen so erschaffen worden wären,  wie wir heute noch sind.

Die sich auf Abraham berufenden Religionen (Juden, Christen, Muslime), vermitteln eine Schöpfungsgeschichte, die die Menschwerdung auf Adam und Eva zurück führt. Auch wenn viele Gläubige heute das Bild des Paradieses als Mythos begreifen, so ist doch der Glaube daran, dass wir Menschen über der anderen belebten Natur stehen, tief in unserem kollektiven Gedächtnis verankert. Dazu gehört auch die Annahme, dass unser menschlicher Körper so geschaffen wurde wie er heute ist.

Früher, d.h. noch bis in die Mitte des zwanzigstens Jahrhunderts lernten die allermeisten Kinder in der Schule Lesen, Schreiben, Rechnen und je nach religiöser Ausrichtung der Schule oder des Landes die Glaubensregeln einer Religion. Die neuen Erkenntnisse der Naturwissenschaften in Genetik, Zellbiologie oder Physik wurden nur Ansätzen an den Gymnasien vermittelt. So ist nachvollziehbar, dass das alte Weltbild noch lange das Alltagswissen bestimmte.

Hinzu kam, dass wir Menschen uns nur schwer von übernommenen trennen, wir verharren mit unserem Verhalten und unserem Denken in den Strukturen in denen wir sozialisiert wurden.

Aber all das, was wir schon in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts erlernten, dürfte für unsere Vorfahren, die vor 200 Jahren lebten, unglaubwürdig, sogar gotteslästerlich gewesen sein, wenn einer behauptet hätte, dass wir Menschen uns aus einer anderen Art oder aus einer Urzelle weiter entwickelt hätten. Und auch heute noch bedeutet es für viele Menschen, die anderen Religionen angehören, eine Provokation, dies nicht nur zu behaupten sondern es zu belegen. Die Evolutionstheorie wird von vielen rundweg abgelehnt, weil diese Menschen möglicherweise das Empfinden haben, dass dann ihre Weltsicht einstürzen könnte.

Vielen Menschen ist das „überirdische Weltbild“ verloren gegangen, sie versuchen es durch „irdische“ Ideologien zu ersetzen. Nach meinem Empfinden leben wir in einer Zeitenwende, in der viele Gewissheiten und Annahmen, in der das Menschen- und Weltbild hinterfragt wird. Im Gegensatz zu früheren Zeiten, in denen nur wenige Menschen bestimmten welcher Deutung, welchem Glauben die anderen zu folgen hatten, befinden wir uns heute in einer Zeit in der jeder sich einbringen kann und wir alle so vor einer mäandernden Ideen- und Glaubensvielfalt stehen.

Heute befinden wir uns in einer Zeitenwende was die Frage nach der Entstehung von uns Menschen betrifft. Die christlichen Kirchen legen ihren Schwerpunkt auf die Sozialethik und nicht mehr auf die Verkündigung einer jenseitigen Welt. Damit geht vielen Menschen die Hoffnung auf eine ewige Existenz verloren. Aus meiner Sicht sucht damit der natürliche Drang in uns, unsere Existenz zu sichern, nach „Ersatzlösungen“ (dazu mehr in den nachfolgenden Kapiteln).

 

Ein Puzzlebild

Ich habe mich gefragt, wie ich die Entwicklung an einem Alltagsbeispiel beschreiben kann. Mir sind dabei das  Mosaik- oder Puzzlebild als Erklärungsversuch sinnvoll erschienen.

Nehmen wir an, wir lebten im Mittelalter und  würden keine Puzzlebilder kennen.

Bei der Suche nach Nahrung durchstreifen wir einen Wald. Zwischen Gräsern sehen wir einige Pappteile (Puzzleteile) liegen. Wir heben sie auf, sehen sie an, fragen uns, ob wir sie gebrauchen können und werfen sie weg.

Monate später finden wir weitere Puzzleteile, heben sie auf und nehmen sie mit zu unserer Hütte. Dort legen wir die Puzzleteile auf den Boden, Familienmitglieder kommen dazu und alle sind fragend, was das sein könnte, wo diese Teile herkommen. All diese Pappschnitzel haben die gleiche Größe, die gleiche Form, sie unterscheiden sich nur durch ihre Farben, manche sind einfarbig, manche zeigen mehrere Farben.

Hat einer diese Teile ausgeschnitten, hat einer diese Teile verloren oder sollte es ein Botschaft sein?

Irgendwann wird man sich einige, dass die Pappteilchen zueinander gehören. Einer legt alle gefundene Puzzleteile neben- und soweit möglich ineinander auf den Boden. Manche versuchen sie so zu sortieren wie sie glauben, dass so das richtig Bild aussehen müsste.

Andere Familienmitglieder legen Pappteilchen dazu, die anders aussehen, die auf beiden Seiten farbig sind, teilweise abgerissenen Seiten haben und legen sie zu den gefunden Puzzleteilen. Jeder Finder beharrt darauf, dass seine Teilchen dazu gehören.

Und nun setzt die Fantasie ein. Jeder glaubt etwas anderes in diesen Puzzleteilchen zu erkennen.  Einige glauben, dass sie Teil eines Bildes sein könnten. Und wenn sie Teil eines Bildes sein sollten, was würde die Aussage des Bildes sein?

Die nachfolgenden Generationen finden immer weitere Teile. Meinungsstarke versuchen sich durchzusetzen.

Heute besitzen wir sehr viele dieser Puzzleteilchen und sind überzeugt, dass das Bild viel größer sein muss als es unsere Vorfahren noch annahmen. Und doch lässt all unser Wissen noch sehr viel Raum für Spekulationen und Deutungen.

 

In ähnlicher Weise wie diese Metapher dürfte sich das Welt- und Menschenbild erweitert und immer wieder verändert haben:

  • Zuerst gab es nur wenig an Wissen, so haben die Menschen ihre Fantasie ausgelebt,
  • dann erweiterte sich das Wissen z.B. während der Antike und die Menschen versuchten daraus ein Welt- und Menschenbild herzuleiten,
  • dann explodierte das Wissen in den letzten 100 bis 150 Jahren.

 

Statt Mythos Logos

Übertragen wir das Sinnbild (Puzzlebild) nun auf unser Welt- und Menschenbild, dass sich im Laufe von zehntausenden von Jahren immer wieder verändert haben dürfte.

Viele von uns wurden durch ihre Herkunft (Religion, Moral, Ethik) sozialisiert. Das Menschenbild und Weltsicht unserer direkten Vorfahren beruhte in vielen Bereichen auf antikem Denken. Heute verfügen wir dank der Wissenschaften über Erkenntnisse, die diesem ererbten Glauben, der auf vielen Mythen beruht, entgegenstehen.

In diesem Zusammenhang verstehe ich unter

  • Mythos – Erzählungen, die auf Alltagserfahrungen aber auch auf sehr viele Fantasien über Ereignisse und Personen beruhen. Dadurch wird in der jeweiligen Gesellschaft eine gemeinsame Identität erzeugt. Bei der Frage nach Ursachen und bei Fragen nach der eigenen Existenz wird dadurch Unbegreifbares begreifbar gemacht, indem man Unbegreifbares in eine uns nicht zugängliche Welt „verlagert“.
    Hierzu gehört auch das Interpretieren (s. Kapitel 1.3.4).
  • Logos – der Versucht einer Beweisführung. Nach heutigem Kenntnisstand haben vor allem die griechischen Philosophen hierfür die Grundlagen geschaffen. Heute wollen wir nicht glauben sondern Beweise für Behauptungen, die uns im Idealfall die Wissenschaften liefern.
    Hierzu gehört auch das Entstehen des Bewusstseins (Kapitel 1.2.16) und des Reflektierens (Kapitel 1.3.11).

 

Warum ist die Suche nach dem „richtigen“ Welt- und Menschenbild  für uns so wichtig? Diese Suche bringt uns einer Antwort über unsere Herkunft , den möglichen Sinn unseres Lebens und unserem Schicksal immer näher. Ein Teil unserer Vorfahren nutzten dazu ihre Fantasien, die dann von anderen übernommen wurden. Auf Dauer kann das mit dem heutigen Wissen nur unbefriedigend sein wie das Festhalten an tradierten Vorstellungen in Form von Glauben und Ideologien.

Unser Weltbild- und Menschenbild im Wandel der Zeit

Wir zuvor erwähnt, müssen wir heute davon ausgehen, dass sich in der Vergangenheit unsere Sicht auf uns als Mensch und auf unsere Umwelt immer wieder verändert hat. Auch wenn viele Theorien nur auf Mutmaßungen beruhen, weil endgültige Beweise über die vergangene Zeit nicht erbracht werden können, so können wir doch durch Rückschlüsse darauf schließen, was unseren Vorfahren vor zehntausenden von Jahren möglich war und was nicht.

Dazu gehören auch die Fragen, seit wann Menschen erstmals darüber sinniert haben, warum die tagsüber zu sehende runde Scheibe (Sonne) von einem Punkt bis zu einem anderen Punkt wanderte bis es dunkel wurde.  Warum so viele kleine Lichter zu sehen waren, wenn es dunkel wurde. Warum die kleine Scheibe (Mond) ihr Aussehen immer wieder veränderte.

Vor wie vielen Jahren könnten sich die ersten Menschen diese Sinnfrage gestellt haben? Zu diesen, unseren heutigen Fragen gehören:

  1. Seit wann machen sich Menschen Gedanken über die Welt in der sie gelebt haben
  2. und seit wann sind Menschen in der Lage ihre Gedanken mit anderen zu teilen?

 

Die Antworten auf diese Fragen geben uns Auskunft, sei es nun über unsere Herkunft oder den möglichen den Sinn unseres Lebens. Und letztendlich können sie Hinweise darauf liefern wie wir unser begrenzte Lebenszeit möglichst „ertragreich“ nutzen.

Im nächsten Kapitel versuche ich eine Entwicklung in Phasen zu beschreiben, wie sich unser Menschen- und Weltbild immer wieder verändert hat. Ursächlich dafür könnte das sich immer wieder verändernde aber auch weiterentwickelnde Bewusstwerden und immer neue Erkenntnisgewinne gewesen sein.

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