3.6 Knochenmark und Knochenmarkszellen
Wie wichtig unser Immunsystem für unser Überleben ist, zeigt auch die Lage des Knochenmarks, in dem die Zellen für die Abwehr gebildet werden.
Das Knochenmark liegt als blutzellbildendes Bindegewebe in den Markhöhlen von Knochen.
Bei Neugeborenen kommt das rote Knochenmark noch in allen Knochen vor. Bis zum Ende der Pubertät wird es in vielen Knochen durch Fettzellen ersetzt, die das gelbe Knochenmark bilden.
Bei Erwachsenen finden wir das Knochenmark noch in den Epiphysen langer Röhrenknochen sowie in der Spongiosa platter und kurzer Knochen wie Rippen (Costae), Brustbein (Sternum), Schulterblatt (Scapula), Schlüsselbein (Clavicula), Schädelknochen, Beckenknochen und Wirbelkörpern.
Kurze Erklärung:
- Als Epiphysen werden die Knochenenden z.B. des Oberschenkelknochens bezeichnet.
- Die Spongiosa, liegt im Innern der Knochen und hat ein ähnliches Aussehen wie ein Schwamm.
Dass das Knochenmark in verschiedenen Knochen liegt, hat einen großen Vorteil, den kein anderes Organ hat. Bricht z.B. ein Röhrenknochen und es kommt dabei zu einer Schädigung des im Innern des Röhrenknochen liegenden roten Knochenmarks, dann kann dieser Verlust von dem Knochenmark in den anderen Knochen aufgefangen werden.
Beim Erwachsenen wiegt das rote Knochenmark etwa 1,3 kg, die blutbildenden Zellen des roten Knochenmarks wiegen etwa 400 g.
Rotes Knochen
Im roten Knochenmark kommen 5 verschiedene Stammzellen für die Blutzellen vor. Der Ursprung dieser Stammzellen ist auf eine einzige Stammzelle zurückzuführen, die Hämo-zyto-blast genannt wird. Durch Teilung des Hämozytoblasten entstehen die Stammzellen, wobei bisher unbekannt ist, auf welchen Reiz die Differenzierung in die 5 Stammzellen erfolgt. Es ist jedoch bekannt, das Zyto-kinine (Botenstoffe von Zellen) bei der Reifung von Knochenmarksstammzellen eine Rolle spielen.
Aus den fünf verschiedenen Stammzellen entstehen:
- die roten Blutkörperchen (Erythrozyten),
- die Thrombozyten.
Sowie die uns interessierenden weißen Blutkörperchen die für unsere Immunabwehr entscheidend sind:
- Granulozyten
- Monozyten
- Lymphozyten
Die Bezeichnung „weiße Blutkörperchen“ ist nur bedingt richtig, weil viele weiße Blutkörperchen die Blutgefäße verlassen und in das angrenzende Gewebe eintreten können – u.a. auch in die Schleimhaut.
Damit die Bildung der Blutkörperchen (also die Neubildung von Blutzellen) dem Bedarf angepasst bleibt, stehen die Stammzellen über Botenstoffe mit Zellen außerhalb des Knochenmarks in Verbindung. Dadurch verhindern Hemmfaktoren, dass zu viele Zellen neu gebildet werden. Durch viele Kontrollbereiche wird ein stehst gleichbleibendes Level angestrebt.
So kann unser Körper flexibel auf eine Belastung durch Blutverlust reagieren.
Jeden Tag sollen etwa eine Milliarde rote Blutzellen zugrunde gehen und durch die Teilung von Stammzellen erneuert werden. Ursächlich für den Zelltod ist, das viele reife Blutzellen eine kurze Lebensdauer haben.
Dass manche weiße Blutzellen schon nach wenigen Stunden sterben hängt mit ihrer Tätigkeit zusammen. Man kann es mit Soldaten vergleichen – in Friedenszeiten werden nur sehr wenige infolge ihres Berufes sterben, in Kriegszeiten dagegen werden viele ihr Leben oder ihre Gesundheit verlieren. Dass so viele weiße Blutzellen nur eine kurze Lebensdauer haben, hängt mit ihrer Tätigkeit zusammen:
- Alte Zellen und entartete Zellen zu phagozytieren,
- Krankheitskeime (Einzeller und Viren) zu phagozytieren.
Blutzellen | Ungefähre Lebensdauer |
Erythrozyten | 100 – 120 Tage |
Thrombozyten | 5-10 Tage |
Granulozyten – sie gehören zu den weißen Blutkörperchen | Einige Stunden |
Monozyten – sie gehören zu den weißen Blutkörperchen | Im Gewebe mehrere Monate, im Blut einige Stunden |
Lymphozyten – sie gehören zu den weißen Blutkörperchen | Kurzlebige bis 10 Tage
Langlebige bis 4 Jahre, manche ein Leben lang |
Welche Funktionen die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) haben, beschreibe ich in den Kapiteln 3.6.1ff
Weiße Blutzellen (Blutkörperchen)
Blutzellen und Blutkörperchen bezeichnen das gleiche.
In diesem Kapitel habe ich die Aufgabe der aus dem Knochenmark stammenden weißen Blutzellen und als Anhang die der roten Blutzellen beschrieben. Die weißen Blutzellen werden Leukozyten genannt.
Warum gibt es verschiedene Leukozyten (weiße Blutzellen)?
Und auch hier möchte ich wieder den Vergleich mit den Soldaten anbringen, denn nichts anderes ist es, was unser Abwehrsystem auszeichnet: Sich der Angriffe anderer zu erwehren.
Da die Angreifer sehr unterschiedlich sind, haben sich die weißen Blutzellen im Laufe der Evolution immer weiter entwickelt und spezialisiert. So entstanden die Unterarten der weißen Blutzellen, die verschiedene Aufgaben erfüllen.
Für Interessierte
An weißen Blutzellen (Leukozyten) kommen vor.
Weiße Blutzellen und ihre Funktion |
Lymphozyten
Lymphozyten sind Teil der Leukozyten. Sie werden in den einzelnen Kapiteln ausführlich beschrieben. |
T-Lymphozyten
Siehe Kapitel 3.6.1ff |
B-Lymphozyten
Siehe Kapitel 3.6.3 |
Monozyten
Die Monozyten gelangen nach ihrer Reifung im roten Knochenmark in die Blutbahn, in der sie nur wenige Stunden zirkulieren. Dann wandern sie durch die Gefäßwand von Kapillaren in das umgebende Bindegewebe, wo sie sich zu gewebstypischen Makrophagen differenzieren. Dieses „Wanderung“ wird als Diapedese bezeichnet. Im Gewebe werden Makrophagen durch eine Entzündung aktiviert und bewegen sich amöboid zum Entzündungsgebiet. Dort phagozytieren sie zugrunde gegangenes Zellmaterial, Mikroorganismen und andere Partikel. Nachdem die Makrophagen eine körperfremde Substanz phagozytiert und durch lysosomale Enzyme zersetzt haben, präsentieren sie das Antigen auf ihrer Zelloberfläche den T-Lymphozyten und aktivieren die T-Lymphozyten auf diese Weise. Über T-Helfer-Zellen werden die B-Lymphozyten aktiviert. Makrophagen sind jedoch nicht nur einfach Fresszellen, sie haben viele verschiedene Funktionen:
Makrophagen können also vielfältig und komplex auf Eindringlinge reagiert. |
Granulozyten
Die Granulozyten beschreibe ich in den nachfolgenden Kapiteln nicht, das würde zu weit führen. Ich liste sie nur der Vollständigkeit auf. Die Granulozyten kommen in drei verschiedenen Arten vor: |
Neutrophile Granulozyten (= Neutros)
Die neutrophilen Granulozyten stellen etwa 60 % der weißen Blutzellen (Leukozyten). Sie werden bei einer Entzündung chemotaktisch durch Komplementfragmente oder bakterielle Peptide zu dem Entzündungsort angelockt, den sie mit amöboiden Bewegungen erreichen. Sie phagozytieren Antigene (körperfremde Partikel wie z.B. Bakterien) aber auch körpereigene Gewebstrümmer von abgestorbenen eigenen Zellen, die sie mit Hilfe der in den Lysosomen enthaltenen Enzymen auflösen. |
Basophile Granulozyten
Sie speichern in ihrer Granula (kleine körnchenförmige Speichermedien innerhalb der Zellen) Heparin und Histamin.
Die Substanzen werden bei Antigenkontakten aus der Granula freigesetzt. Basophile Granulozyten phagozytieren fast gar nicht und besitzen keine proteolytischen (auflösenden) Enzyme. |
Eosinophile Granulozyten
Sie phagozytieren Antigen-Antikörper-Komplexe. Außerdem können sie Histamin binden und wirken somit bei Entzündungen teilweise als Gegenspieler der basophilen Granulozyten. Bei allergischen Erkrankungen wie Heuschnupfen oder Asthma treten die eosinophilen Granulozyten vermehrt im Blut auf. |
Weitere Blutzellen und ihre Funktion |
Erythrozyten (rote Blutkörperchen)
Die Erythrozyten durchlaufen im Knochenmark verschiedene Stadien bis sie als reife Erythrozyten in die Blutbahn abgegeben werden. Erythrozyten enthalten keinen Zellkern und damit keine Erbsubstanz, d.h. bis auf einen kleinen DNS Strang können sie keine Proteine bilden. Man geht davon aus, dass etwa 10 – 15 % der Erythrozyten fehlgebildet sind und noch im Knochenmark abgebaut werden. Erythrozyten werden in der Lunge mit Sauerstoff „beladen“, dass sie durch die arteriellen Gefäße (dazu gehören in absteigender Größe: Aorta, Arterien, Kapillaren) zu den Organen transportieren. Von den Organen nehmen sie im Gegenzug Kohlendioxyd (CO2) auf, das sie über die venösen Blutgefäße zur Lunge transportieren, damit es bei Ausatmen aus unserem Körper entfernt wird. |
Thrombozyten (Blutplättchen)
Thrombozyten (Blutplättchen) entstehen im Knochenmark durch Abschnürungen aus dem Plasma der Knochenmarks-riesenzellen (Mega-karyo-zyten). Sie enthalten wie die Erythrozyten keinen Zellkern und sind damit per definitionem keine Zellen. Bei der Verletzung eines Blutgefäßes verklumpen die Thrombozyten in diesem Bereich. Beim Zerfallen setzen die Thrombozyten Serotonin frei, das eine Kontraktion der Gefäßmuskulatur bewirkt. Dadurch wird die Blutzufuhr zur verletzten Stelle verringert. Durch Gerinnungsfaktoren, die in den Lehrbüchern beschrieben werden, entsteht ein Thrombus (Blutpfropf), der das Gefäß im Bereich der Verletzung verschließt. In einem mm3 kommen etwa 140.000-440.000 Thrombozyten vor. |