3.5 Thymus

3.5 Thymus (Thymusdrüse)

Der Thymus ist ein kleines Organ, das nur wenigen Menschen bekannt sein dürfte, und das doch so wichtig für unser Überleben ist.

Bei Kindern liegt der Thymus hinter dem oberen Teil des Brustbeins (Sternum). Bis zum Beginn der Pubertät wächst der Thymus bis auf etwa 50 g heran, danach bildet er sich, physiologisch bedingt, langsam zurück, was als Involution bezeichnet wird.

Der Thymus ist das einzige Organ, dass sich ohne vorhergehende Erkrankung ab der Geschlechtsreife zurück bildet.

Bei den meisten 30–40-Jährigen findet man statt Thymusgewebe nur noch einen Fettkörper.

Warum sich der Thymus zurück bildet, versuche ich “Für Interessierte”  zu beschreiben.

Der Thymus dient bei Kindern bis zur Pubertät der Reifung von T-Lymphozyten und damit der spezifischen Immunantwort. Er ist für ein gutes Immunsystem wichtig. Ist seine Funktion während der Kindheit geschwächt, dann entwickelt sich eine Immunschwäche.

Bereits während der Fetalzeit reifen im Knochenmark sogenannte T-Lymphozyten („T“ steht für Thymus) heran, die noch „unreif“ sind. Die noch unreifen T-Lymphozyten werden in den Blutkreislauf ausgeschwemmt und gelangen in den Thymus, wo sie sich über verschiedene Entwicklungsstufen zu verschieden naiven T-Lymphozyten entwickeln.

Die T-Lymphozyten werden im Kapitel 3.6.2 „Spezielle weiße Blutzellen“ beschrieben.

Das Wachstum des Thymus wird durch das Wachstumshormon STH stimuliert. Als Drüse gibt der Thymus bestimmte Hormone (Thymo-poetin, Thymosin) ab, die u.a. zur Reifung und Differenzierung der T-Lymphozyten dienen.

 

Aufbau und Funktion des Thymus

Der Thymus besteht aus einer Rinde und dem von der Rinde umhüllten Mark. Wie zuvor erwähnt, werden im Knochenmark noch unreifen T-Lymphozyten gebildet und in die Blutwege ausgeschwemmt. Mit dem arteriellen Blut (Arterien) gelangen sie in die Rinde des Thymus und von dort in das Thymus-Mark.

In beiden Bereichen reifen die T-Lymphozyten innerhalb von etwa 14 Tagen immer weiter heran. Während der Ausreifung differenzieren sie sich zu bestimmten Arten von T-Lymphozyten und erhalten eine immunologische Prägung.

Damit die T-Lymphozyten fremde Zellen und Viren von körpereigenen Zellen unterscheiden können, werden sie zwei verschiedenen Testungen unterworfen, d.h. sie durchlaufen zwei Selektionen. Nachfolgend eine sehr vereinfachte Darstellung.

  • In der Thymusrinde erfolgt eine positive Selektion – die unreifen T-Lymphozyten werden darauf hin getestet ob sie körperfremdes Material (Viren, Bakterien) erkennen können. Sind sie dazu nicht in der Lage werden sie abgetötet.
  • Im Thymusmark erfolgt eine negative Selektion – hier werden die verbliebenen unreifen T-Lymphozyten darauf hin getestet ob sie körpereigene Zellen angreifen würden. Diese Zellen werden abgetötet.

Für Interessierte hier ein Link: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7844872/

So sollen täglich im Thymus 50-100 Millionen T-Lymphozyten getestet werden. Von den getesteten T-Lymphozyten sollen je nach Publikation nur 2-10 % die Selektion überstehen. Die verbliebenen naiven T-Lymphozyten verlassen den Thymus und gelangen über den Blutkreislauf zu den lymphatischen Organen. Dazu zählen:

  • Lymphknoten,
  • Tonsillen,
  • Milz,
  • MALT (Lymphfollikel, die unter den Schleimhäuten liegen).

Durch eine Blut-Thymus-Schranke wird ein frühzeitiger Kontakt der T-Lymphozyten im Thymus mit Antigenen verhindert.

 

Bisherig Studien zeigen, dass sich Vorstufen des Thymus bereits vor etwa 500 Millionen Jahren in ersten Wirbeltieren entwickelt haben. Urformen des Thymus scheinen schon bei frühen Arten von höherentwickelten Vielzellern bestanden zu haben, darauf deutet hin, dass auch bei Fischen einfache Formen von Antikörpern gefunden werden.

 

 

Für Interessierte

Der Thymus steht mit einigen anderen Organen  hormonell in Verbindung. Er wird beeinflusst durch Hormone aus:

  • Hypophysenvorderlappen
  • Nebennieren
  • Keimdrüsen (Hoden, Ovarien)
  • Schilddrüse.

Der Thymus beeinflusst über Zytokine (Botenstoffe) das

  • neuroendokrine System.

 

Der Thymus entwickelt sich aus dem embryonalen Darm. Bei Vögeln reifen im Gegensatz zu uns Säugern auch B-Lymphozyten im Thymus heran, dass dafür verantwortlichen Gene konnte durch Aktivierung auch bei Mäusen nachgewiesen werden.

Thymusrinde

In der Thymusrinde lagern  sich die T-Lymphozyten direkt den Epithelzellen an, so interagieren die unreifen T-Lymphozyten mit den Epithelzellen des Thymus und erhalten dabei ihre immunologische Prägung.

Das heißt, in der Thymusrinde werden die T-Lymphozyten einer positiven Selektion unterworfen. Die Selektion erfolgt durch die Epithelzellen des Thymus. Die Epithelzellen, die in der Rinde des Thymus liegen, bilden auf ihrer Oberfläche einen Peptidkomplex (MHC-I), über den sie erkennen, mit welcher Affinität sich die noch unreifen T-Lymphozyten mit den MHC-Molekülen verbinden. Wenn die Rezeptoren der unreifen T-Lymphozyten eigene MHC-Moleküle nicht erkennen, erhalten sie kein positives Wachstumssignal und sterben ab, das nennt man auch positive Selektion.Bei den MHC-Molekülen unterscheidet man zwischen 2 Klassen  (MHC-Klasse I-Komplex oder II-Komplex). Je nachdem welcher MHC-Komplex erkannt wird, entstehen nach weiteren Differenzierungsschritten CD8+ oder CD4+-T-Lymphozyten.

Wenn sie die Moleküle der MHC-Klasse I erkennen, entstehen gegenüber diesen MHC-Rezeptoren tolerante T-Lymphozyten CD8+ (= zytotoxische Zellen),

Wenn sie die Moleküle der MHC-Klasse II erkennen, entstehen T-Lymphozyten der C4+ (T-Helferzellen)

 

Thymusmark

Im Thymusmark entwickeln sich die verbliebenen T-Lymphozyten weiter. Dabei werden sie im Mark einer weiteren Prüfung unterworfen, der negativen Selektion. Die T-Lymphozyten werden im Mark darauf hin getestet, ob sie gegen körpereigene Peptide tolerant sind, ansonsten werden sie durch Makrophagen und dendritische Zellen abgebaut.

 

Entwicklung der T-Lymphozyten

Vereinfacht dargestellt:

Der Thymus besteht aus Funktion
Rinde In der Thymusrinde liegen thymuseigene Epithelzellen

An diesen Epithelzellen findet eine positive Selektion statt

In der Thymusrinde werden die noch unreifen T-Lymphozyten von den Epithelzellen daraufhin getestet, ob sie körperfremde Peptide erkennen. Die, die den Test nicht bestehen, werden abgebaut, weil sie für die Abwehr nicht geeignet sind.
Mark In das Thymusmark wandern

  • dendritische Zellen und
  • Makrophagen ein

Im Thymusmark findet eine negative Selektion statt

Im Mark werden die verbliebenen T-Lymphozyten von dendritischen Zellen und Makrophagen daraufhin getestet, ob sie körpereigene Peptide tolerieren. Wenn nicht, werden sie abgebaut, weil sie sonst gegen die körpereigenen Zellen vorgehen könnten.

 

Rückbildung des Thymus

Frage:

Warum bildet sich ein Organ zurück, das für unsere Immunabwehr und damit für unser Überleben eine solch wichtige Funktion hat? Ist es eine Fehlentwicklung der Evolution?

Was veranlasst unseren Körper sich selber zu schwächen, indem der Thymus sich mit dem Beginn der Geschlechtsreife zurück bildet?

Erklärungsversuch:

Zurzeit geht man davon aus, dass die Rückbildung hormonell bedingt ist.

  • Im Hypo-thalamus bilden Nervenzellen (Neurone) das Hormon Gonadotropin-releasing-Hormon.
  • Im Hypo-physen-vorderlappen bilden Neurone das follikelstimulierende Hormone (FSH) und das LH (luteinisierendes Hormon), die dazu dienen, dass sich
    • die weiblichen und männlichen Keimdrüsen (Gonaden) weiterentwickeln,
    • und die gleichzeitig diese Entwicklung regulieren. Es ist also ein Regulierungskreislauf.

Steht die Rückbildung des Thymus in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit der Sekretion der Keimdrüsenhormone? Dann würde das bedeuten, dass unser Körper einen wesentlichen Infektionsschutz zu Gunsten der Weitergabe unserer Gene, also der Zeugung neuen Lebens, aufgibt.

Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass der Thymus mit dem Beginn der Geschlechtsreife und der Fortpflanzungsphase seine Funktion erfüllt hat, den Körper vor Krankheitskeimen zu schützen.

Ist es damit aus Sicht der Evolution unerheblich, ob unser Körper nach der Fortpflanzungsphase noch weiter geschützt wird? Hat ein Lebewesen mit dem Ende der Reproduktionsphase für die Evolution keinen Wert mehr? Das würde im Gegensatz zu unserer Gesinnungsethik stehen, bei der jedes Leben erhaltenswert und wichtig ist. Steht hier unsere Ethik im Gegensatz zur Natur?

Unsere ethischen und moralischen Vorstellungen spiegeln vor allem unser Wunschdenken wider, sie können reziprok zur evolutionären Wirklichkeit stehen. Aber das zu klären erfordert sicherlich noch viel Forschungsarbeit.

Nach der Rückbildung sollen die Aufgaben des Thymus nach mir vorliegenden Publikationen die Lymphknoten und die Milz übernehmen. Die Milzpulpa wie auch die Lymphknoten zählen zu den lympho-retikulären Organen, der Thymus ist ein lympho-epitheliales Organ. Die Frage stellt sich damit, ob die T-Lymphozyten auch bei den lymphoretikulären Organen ihre immunologische Prägung erhalten können? Diese Frage kann ich nicht beantworten.

 

Forschung

Seit Jahren forschen Wissenschaftlern nach Möglichkeiten den Thymus zu erhalten, z.B. indem Stammzellen zur Neubildung des Thymus angeregt werden, oder indem ein Teil des Thymus transplantiert wird. Es ist die Frage, ob unser Immunsystem gestärkt würde, wenn man den Thymus bis ins hohe Alter erhalten könnte. Wenn allerdings ein direkter Zusammenhand zwischen Thymusrückbildung und der Entwicklung der Geschlechtsreife bestehen sollte, dürfte das eine interessante Arbeit werden.

 

 

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

0 Comments
Newest
Oldest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments