3.4.4 Darm

3.4.4 Darm

Für viele Menschen dürfte die Erkenntnis der Wissenschaften unbekannt sein, dass der Darm nicht nur der Aufnahme von Nahrungsbestandteilen und der Ausscheidung nicht genutzter Nährstoffe dient, sondern auch für unsere Abwehr ein wesentliches Bollwerk bildet.

Einige Wissenschaftler vermuten, dass sich Zellen in der Darmschleimhaut möglicherweise als erste Abwehrzellen zur der Bekämpfung schädlicher Mikroorganismen entwickelt haben, was nachvollziehbar wäre, weil durch die Nahrungskette Bakterien und Viren in den Darm gelangen.

Die Oberfläche des Dünndarms soll so etwas 200 – 400 qm groß sein.

Eine Reihe von Wissenschaftlern schätzt die Gesamtheit der in unserem Darm lebenden Bakterien, Viren, Pilzen, auf 30-100 Billionen. Die reine Bakterienmasse in unserem Darm soll etwa 1-2 Kilogramm unseres Körpergewischtes ausmachen. Die Bakterien leben vor allem in dem von den Becherzellen der Darmschleimhaut abgesonderten Schleim, werden aber teilweise auch mit der Entleerung ausgeschieden, was nicht weiter tragisch ist, weil sie sich ständig teilen.

Ein Teil der Wissenschaftler sieht die Gesamtheit der Darmbakterien als Organ. Das ist nachvollziehbar,  wenn man bedenkt, dass bestimmte Bakterien Enzyme bilden, die für uns Nährstoffe erschließen. Unsere Zellen sind dazu nicht fähig. Wir leben daher in einer Symbiose mit den Bakterien in unserem Darm.

Die von uns als Nahrung aufgenommenen Bestandteile, besonders Pflanzen und ihre Früchte (Kohlenhydrate), spalten bestimmte Bakterien durch Enzyme, die unsere Zellen nicht besitzen,  und die ohne die Bakterie für uns aus unverdaulichen wären. So sind Bakterien auch bei der veganen Ernährung durch Vollkornprodukten und verschiedenen Gemüsesorten unverzichtbar.

 

Der Weg, den die Nahrung nimmt

Die im Mund zerkleinerte und mit Speichel durchmischte Nahrung gelangt durch die Speiseröhre (Ösophagus) in den Magen, wo die Nahrung durch den Magensaft in einen Speisebrei (Chymus) umgewandelt wird. Durch die von speziellen Drüsen die der Magenwand gebildete Salzsäure werden die mit der Nahrung aufgenommenen Bakterien und Viren zu einem großen Teil abgetötet.

 

Für Interessierte

Vom Magen gelangt der Nahrungsbrei in den

  • Dünndarm, der in das Duodenum, Jejunum und Ileum unterteilt wird. Durch eine Klappe (Valva ileo-caecalis), die nur zum Dickdarm offen ist, gelangt der Nahrungsbei vom Ileum in den ersten Teil des Dickdarms, das Blinddarm (Caecum) genannt wird.
  • Der Dickdarm unterteilt sich in
    • Blinddarm (Caecum) mit dem Appendix vermiformis (Wurmfortsatz);
    • Grimmdarm (Kolon);
    • Mastdarm (Rektum).

Damit die Kontaktfläche und damit die Aufnahmefläche zwischen dem Nahrungsbrei und der Darmwand möglichst groß wird, ist die Oberfläche des Dünndarms vor allem durch Schleimhautfalten und die auf ihnen sitzenden Darmzotten wesentlich vergrößert.

 

Darmbakterien

Bisher sollen etwa 1.400 verschiedene Bakterienstämme im Darminhalt bestimmt worden sein, wovon nicht alle Stämme im Darm jedes Menschen vorkommen. Der einzelne Mensch sollen je nach Publikation zwischen 140 – 400 verschiedene Bakterienarten im Darm besitzen, wobei die jeweilige Ernährung für die Art und die Anzahl der Bakterien ausschlaggebend ist – ändert ein Mensch seine Ernährung, dann ändern sich auch die Bakterienstämme. Man kann fast sagen, dass die Darmbesiedelung durch Bakterien wie der Fingerabdruck, für jeden von uns spezifisch ist, wobei es vor allem darauf ankommt, was wir essen.

Die ersten Darmbakterien erhalten Neugeborene über die Mutter. Werden sie auf natürlichem Weg geboren, überwiegen die Milchsäurebakterien und Prevotella, bei einem Kaiserschnitt u.a. Staphylokokken.

Die Besiedlung mit Bakterien ist je nach Darmabschnitt sehr unterschiedlich. Im oberen Dünndarmabschnitt (Duodenum) ist die Besiedelung noch gering, in den unteren Dünndarmabschnitten nimmt die Bakterienanzahl immer mehr zu. Hierbei ist auch interessant, dass der Dünndarm von anderen Bakterien besiedelt wird als der Dickdarm. Da der Dünndarm vom Dickdarm durch eine Klappe (Ileo-cäcal-klappe) getrennt wird, die den Darminhalt nur in Richtung Dickdarm durchlässt, kann es bei einer geschädigten Klappe zu einer Fehlbesiedelung des Dünndarms kommen.

Im Dünndarm überwiegen an Bakterien Clostridien, Milchsäurebakterien und Proteobakterien, Im Dickdarm Bakteroides, Prevotella usw.. Eine Fehlbesiedlung des Dünndarms kann zu einem Mangel an fettlöslichen Vitaminen, an Vitamin A, D, E, K und B12 sowie zu einem Eisenmangel führen.

Das Bakterium Escherichia coli produziert z.B. Vitamin K, einige spezielle Kolibakterien können aber auch Durchfall auslösen.

Die Darmflora kann sich sehr schnell bei einer Nahrungsumstellung ändern, weil Bakterien spezifisch für bestimmte Nährstoffe sind. Jeweils bestimmte Bakterien können Kohlenhydrate spalten, Proteine abbauen, Vitamine wie B2, B12,  K (von E. coli), Biotin, Folsäure bilden. Andere Bakterien bilden Substanzen, die durch die Darmwand in das Blutsystem und von dort zum Gehirn gelangen und dort unsere Gefühlslag und unser Verhalten beeinflussen können – wie z.B. die auch von Bakterien gebildeten neurologisch wirkenden „Glückshormone“  Dopamin und Serotonin. Heute geht man davon aus, dass von „schlechten“ Bakterien Substanzen auf diesem Weg Depressionen auslösen können.

Manche Bakterien können für uns giftige Nährstoffe so verstoffwechseln, dass sie für uns weniger giftig werden. Andere Bakterien haben auch Einfluss auf die Wirkungsweise von Medikamenten, sie können die Wirksamkeit verstärken oder abschwächen, was z.B. bei Chemotherapeutika zu Problemen bei der Dossierung führen kann. Auch dienen bestimmte Bakterien dazu, eingenommene Medikamente im Darm in ihre wirksame Form umzuwandeln.

Neben den für uns „guten“ Bakterien kommen in unserem Darm auch krankmachende Bakterien vor, manche Bakterien, wie die vom Stamm des Escherichia coli, können beides, die eine Unterart kann uns helfen die andere Unterart schaden. Überscheiten die schädigenden Bakterien einen prozentualen Anteil , dann kann die aufgenommene Nahrung nicht mehr so verwertet werden wie es notwendig  wäre. Als Folgen können chronische-entzündliche Erkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa entstehen. Ob Fehlbesiedlung Ursache für diese Erkrankungen oder Folge ist, kann ich nicht beurteilen.

In diesem Bereich ist noch viel Forschungsarbeit zu leisten.

 

Immunsystem

Studien bestätigt, dass der Darm für unser Immunsystem sehr wichtig ist.

So sollen durch entsprechende Botenstoffe von Darmbakterien Lymphozyten zur Abwehr von Krankheitskeimen angeregt werden. Auch scheinen Darmbakterien einen Einfluss auf die Bildung von Antikörpern zu haben.

Da die Darmoberfläche sehr groß ist und sie für die aufzunehmenden Nahrungsbestandteile durchlässig sein muss, können auch Bakterien, Viren, Pilze oder Schadstoffe zwischen die Schleimhautzellen hindurch in die Darmwand eindringen und dadurch in den Blutkreislauf gelangen. Bei der Durchlässigkeit der Darmwand sprechen wir von einer selektiven Darmbarriere.

 

Gegen das Vordringen der Krankheitserregen gibt es im Darm drei verschiedene Abwehrmaßnahmen:

  • Die für uns Menschen „guten“ Bakterien wachsen so, dass sie die uns krank machenden Bakterien verdrängen können, auch sollen einige gute Bakterien ein antibakterielles Sekret bilden können, dass schädliche Bakterien eliminiert.
  • Durch Sekretion von Schleimstoffen (Mucine) bindet der Darm Bakterien.
  • Die Darmschleimhaut beherbergt eine große Anzahl von Abwehrzellen. Etwa 70 % aller Immunzellen sollen sich in der Schleimhaut des Darms aufhalten. Dazu gehören die Lymphozyten, Makrophagen und die dendritischen Zellen. All diese Zellen können einzeln, manche in Gruppen vorliegen. Das Abwehrsystem des Darms wir unter dem Begriff GALT (gut associated lymphoid tissues, auch darmassoziiertes lymphatisches Gewebe genannt) zusammen gefasst.
    • Lymphozyten  – sie kommen auch in den Darmzotten vor. An vielen Stellen des Dünndarms liegen in der Schleimhaut lymphknotenartigen Ansammlungen, die Peyer-Plaque genannt werden. In den Peyer-Plaques komme auch viele B-Lymphozyten vor, die in Keimzentren liegen. Die T-Lymphozyten,, liegen in kleineren lymphatischen Regionen. Die Peyer-Plaques sind für die Immunantwort von großer Bedeutung.

      Die B-Lymphozyten, die in den Peyer-Plaques mit dem Antigen in Kontakt gekommen sind, wandern in die Darmschleimhaut (Lamina Propria) zurück und differenzieren sich zu IgA-bildenden Plasmazellen (= Effektorzellen).

    • Makrophagen – sie phagozytieren die zwischen den Epithelzellen hindurch tretenden Bakterien und Viren, auch phagozytieren sie abgestorbene Epithelzellen.
    • Dendritische Zellen – sie wandern mit Antigen beladen in einem ständigen Fluss von der Darmschleimhaut zu den Lymphknoten, wo sie den dort ruhenden naiven T-Lymphozyten das Antigen präsentieren. Ein Chemo-kinin-rezeptor (CCR 7) ist ursächlich für die Wanderung.
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