3.2.2 Viren

 

3.2.2 Viren

Mit dem Wort Viren assoziieren viele Menschen Infektionen, Erkrankungen und das Sterben.

Die Viren sind so klein, dass sie erstmals 1892 nachgewiesen werden konnten. Damals begann man zu erforschen welche Krankheiten durch eine Virusinfektion verursacht wurden. Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich unser Wissen über die „Lebensform“, die wir Viren nennen, wesentlich erweitert.

Doch, welchen Stellenwert müssen wir den Viren außerhalb unserer Angst vor ihnen real zuweisen?

 

Was sind Viren eigentlich?

Viren unterscheiden sich von dem, was Biologen als „Leben“ definieren dadurch, dass sie u.a.

  • keinen eigenen Stoffwechsel besitzen, das heißt, sie kommen ohne Nahrung und Sauerstoff aus,
  • sie selbst keine Energie zu ihrer Existenzerhaltung erzeugen können,
  • sie sich nicht selbständig vermehren können,
  • sie sich nicht selbständig bewegen können – sie verändern ihren Ort nur durch z.B. den Luftstrom oder durch den Blut- oder Lymphfluss.

Die Definition von dem, was Biologen unter „Leben“ verstehen, wurde im 18. Jahrhundert aufgestellt. Heute sehen viele Wissenschaftler diesen Begriff differenzierter.

Nach den bisherigen Erkenntnissen gehen einige Wissenschaftler davon aus, dass Viren schon früher als die ersten Urzellen existiert haben könnten. Spekulativ ist, ob Viren mit dem Transfer von Genschnippeln erst zelluläres Leben ermöglich haben könnten. Wenn diese Annahme richtig sein sollte, dann haben einige Virenspezies Erbsubstanzen von einer Zelle auf andere Zellen übertragen. Das scheint zunächst eine sehr abwegige Theorie zu sein, aber vieles, was noch vor einem Jahrzehnt als unmöglich galt, wurde später durch Beweise zur Gewissheit. Wir wissen noch viel zu wenig über die Anfänge der Viren vor Milliarden von Jahren und ihre Entwicklung um uns ein realistisches Bild über sie machen zu können. Warten wir ab, was Virologen noch erforschen.

 

Aus was sind Viren aufgebaut

Die Viren bestehen aus zwei Komponenten:

  • der Erbsubstanz, die aus RNA oder DNA besteht,
  • und aus einer das Virus umschließenden Proteinhülle, die die RNA/DNA nach außen schützend umgibt.

Aus der, das Virus außen umgebenden Proteinhülle, ragen spezifische Proteine heraus, die als Spikes bezeichnet werden. Jede Virenart hat die für sie typischen Spikes.

Diese Spikes dienen dazu, sich passiv an spezifische Rezeptoren anzulagern, die aus der Zelloberfläche von Zellen „heraus ragen“. Alle Zellen haben solche für die jeweilige Zellart spezifische Rezeptoren, vielfach mehrere hundert davon, sie sind, wie bereits erwähnt, für jeweils eine Art von Zellen typisch. Sind die Oberflächenrezeptoren einer Zelle etwas anders gestaltet, dann können sich die Viren nicht der Zelle anlagern und dadurch letztendlich nicht in die Zelle eindringen (s. weiter unten).

 

Um das nochmals hervorzuheben:

Der Grund, warum Viren bestimmte Zellen unseres Körpers befallen können liegt darin begründet, dass ihre Spikes genau zu einem Rezeptortyp passen. Die Spikes verhalten sich zu den Rezeptoren auf der Zelloberfläche wie ein Schlüssel der in ein Schloss passt. Darum können die allermeisten Viren die verschiedensten Säugerarten nicht infizieren. Als Beispiel mag das Hundestaupe-Virus dienen, an dem nur bestimmte Tiere erkranken können.

Fest zu halten ist, dass Viren nicht nur als „böse Buben“ anzusehen sind. Allem Leben, auch der Existenz der Viren liegt der biochemisch bedingte Drang zu Grunde sich zu vermehren, um so die eigene Erbinformation weiter geben zu können. Das ist ein Teil der Evolution. Verliert eine Art oder eine Gesellschaft diesen Drang, dann bedeutet das das Ende dieser Art oder Gesellschaft.

 

Die Viren in uns

Den meisten Menschen dürfte ihre genetische Nähe zu den Viren nicht bewusst sein. Nach der Sequenzierung des menschlichen Genoms 2003 fanden Wissenschaftler heraus, dass zwischen 7-9 % unseres Erbgutes von Viren DNA abstammen soll, es scheint also in der Frühzeit der Säuger- oder Wirbeltierentwicklung, oder noch früher, ein Gentransfer von Viren in unser Erbgut statt gefunden zu haben.

Auch soll unser Erbgut etwa 150 Gene enthält, die von Einzellern (Bakterien) sowie von Pflanzen in unser Erbgut übertragen wurden. Einige Wissenschaftler vermuten, dass dieser Gentransfer durch Viren erfolgt sein könnte.  Es ist davon auszugehen, dass viele dieser viralen Genschnipsel auch in anderen Wirbeltieren zu finden sind.

Die von Viren in unsere Erbsubstanz übertragene DNA dient teilweise der Stärkung unseres Immunsystems.

  • So führt ein Schnipsel eines Retrovirus (RNA-Virus) dazu, dass nicht nur im Pankreas (Bauchspeicheldrüse) sondern auch in den Mundspeicheldrüsen ein Enzym (Amylase) produziert wird, das die Stärke in der Nahrung aufschließt und damit der Verdauung dient.
  • Von zwei anderen Genen habe ich gelesen, deren Ursprung eine Viren DNA ist, dass diese DNA dafür verantwortlich ist, dass sich die Zellen der Plazenta so verbinden, dass Abwehrzellen der Mutter nicht durch die Plazenta zum Kind vordringen und diese Zellen als fremd erkennen und angreifen können. Sie dient also dem Schutz des heranwachsenden Kindes, dass so nicht wie ein Fremdkörper abgestoßen wird.

 

Kurzer Exkurs:

Unsere Erbsubstanz in im Zellkern in Form von DNA gespeichert. Die bisher bekannten Bausteine der DNA sind die Gene, die die Information für die Proteine (Eiweiße) enthalten, die von der Zelle synthetisiert (gebildet) werden. Damit die DNA den sicheren Verwahrort, den Zellkern, nicht verlassen muss, werden die Informationen in Form der mRNA (messinger RNA) kopiert.  Die Synthese der Proteine (Eiweiße) erfolgt außerhalb des Zellkerns in der den Zellkern umgebenden Zellflüssigkeit (Zytoplasma).

 

Wer wird von Viren infiziert?

Wissenschaftler vermuten, dass es hunderte von Millionen verschiedener Virenspezies geben könnte. So wie Bakterien, kommen die Viren, wenn auch in unterschiedlicher Konzentration, zumeist auf der gesamten Erde vor.

Viren infizieren nicht nur Menschen und Tiere, sondern auch Pflanzen, Pilze und Bakterien. Die Viren, die Bakterien befallen, werden Bakteriophagen genannt. Hier liegt ein großes wissenschaftliches Feld: Bestimmte Bakteriophagen (Viren, die Bakterien befallen) werden gezielt auf uns krankmachende Bakterien wie z.B. Coli- oder Staphylo-kokken-bakterien untersucht.

Wissenschaftler sehen in Bakteriophagen eine mögliche Alternative zu Antibiotika (Phagentherapie).

 

Warum machen uns die allermeisten Virusarten nicht krank?

An dieser Stelle nochmals kurz einige unglaubliche Zahlen: 2.1ff Beschriebenen:

  • Laut einer Publikation des Max-Planck-Instituts für Mathematik (Ian Hatton) können bei den Zellen  400 verschiedene Hauptzelltypen unterschieden werden.
  • Unser menschlicher Körper besteht bei einem 70 Kg schweren Mann aus 40 Billionen Zellen.

 

Das Zellinnere aller Zellen wird durch eine die Zelle vollständig umhüllende Zellmembran gegenüber der Umgebung geschützt.

Damit Zellen mit den anderen Zellen unseres Körpers Informationen austauschen können, benötigen sie Kanäle um sich auszutauschen. Ein Kommunikationsmedium sind die Rezeptomoleküle auf der Zellmembran  (= Membranproteine), von denen einige der Signalübertragung dienen, indem sich Botenstoffe (u.a. Hormone) an diese Rezeptormoleküle passiv anlagern und anschließend in die Zelle gelangen können (Schlüssel-Schloss-Prinzip). Durch die Anlagerung wird eine biochemische Reaktion ausgelöst, indem ein kleiner Teil der Zellmembran den Botenstoff umhüllt und in die die Zelle aufnimmt (das ist unserer Nahrungsaufnahme ähnlich, indem wir einen Bissen in unseren Mund aufnehmen und den Mund dann schließen).

Viren, deren Spikes sich einem der vielen Rezeptormoleküle auf einer Zelle anlagern können initiieren damit einen Aufnahmeprozess in die Zelle. Die Zelle umschließt mit ihrer Membran das Virus und nimmt es in das Zellinnere auf.

Grob vereinfachend könnte man es mit unserer Nahrungsaufnahme vergleichen: Wir öffnen den Mund für die Nahrung die uns zusagt, dann schließen wir den Mund und nehmen Teile der Nahrung in unseren Körper auf. Auf ähnliche Weise funktioniert das bei Zellen, bei ihnen bezeichnen wir es als „Endozytose“.

Im Gegensatz zur zelleigenen mRNA, die, nachdem genug Proteine gebildet wurde, aufgelöst wird, verhält es sich bei der Viren mRNA wie bei einer karzinogenen Erkrankung. Die Zelle bildet, losgelöst von hemmenden Einflüssen, immer weiter neue Viren-mRNA und die für die Virenhülle notwendigen Eiweiße. Der intrazelluläre und zwischenzelluläre Informationsaustausch ist stillgelegt.

 

Dringt ein einzelnes oder nur wenige Viren durch eine unserer Körperöffnungen unseren Körper ein, dann wird das zumeist keine Erkrankung auslösen. Das Risiko, dass ein Infekt zu einer Erkrankung führt, hängt

  • von der Abwehrfähigkeit unseres Immunsystems und
  • von der Anzahl der Viren (Dosis) und von der Virulenz des Virus ab.

Die in den Körper eingedrungenen Viren liegen, sofern sich keine geeignete Wirtszelle finden, entweder zwischen den Zellen von Geweben oder sie werden mit dem Blut- oder Lymphstrom passiv durch alle Bereiche des Körpers transportiert.

 

Vermehrung

Viren können sich nur, wie beschrieben, in Zellen vermehren, seien es nun Ein- oder Vielzeller (zu den Vielzellern gehören wir Menschen).

Dazu muss das Virus aber zuerst in eine Zelle eindringen. Das kann es nicht selber sondern benötigt die Hilfe der Zelle. Und hierbei helfen ihm unfreiwillig die verschiedenen Rezeptoren der Zellen, die dazu dienen

  • größere Bestandteile wie Nahrung,
  • aber auch verschiedene Botenstoffe aufzunehmen, die der Information dienen und in der Zelle bestimmte Reaktionen auslösen.

Dazu dienen die Spikes, die aus dem Virus herausragen. Wenn sie an einen der Rezeptoren einer Zelle passen, dann kommt es zur Bindung zwischen Spike und Rezeptor. Die Zelle reagiert auf den scheinbar für sie guten „Besuch“, indem sich ein Teil ihrer äußeren Zellmembran um das Virus legt und umschließt und so in die Zelle aufnimmt. In der Zelle wird der Vesikel aufgelöst und das Virus freigesetzt.

Sie können es mit unserem Alltag vergleichen, wenn einer die Türklingel betätigt und wir ihn zu kennen glauben, dann öffnen wir die Tür damit er eintreten kann. Es ist dem Trojanischen Pferd vergleichbar.

In der Wirtszelle verliert das Virus seine Hülle, wodurch die RNA oder DNA frei wird. (Ein anderer Weg ist, dass das Virus nur seine Erbsubstanz in die Wirtszelle einschleust).

Durch spezifische Proteine (Regulator-Proteine genannt), wird die Zelle dann so umprogrammiert, dass sie nur noch die Erbsubtanz (Viren RNA oder DNA) und die Hüllproteine für die Viren synthetisiert (bildet). Das Zellinnere füllt sich mit Viren durch die die Membran platzt und die Viren freigesetzt werden. Damit entsteht ein Schneeballeffekt, nun können tausende neuer Tochter-Viren eine Vielzahl an weiteren Zellen befallen.

Bei der Masse an neu gebildeten Tochterviren kommt es zwangsläufig zu Transkriptionsfehlern (Fehler im Erbgut von neu gebildeten Viren). Die meisten der Fehlbildungen dürften für die betroffenen Viren einen Selektionsnachteil bedeuten, so dass sie nicht mehr virulent sind. Durch kleine genetische Veränderungen können Viren aber auch virulenter (die Infektionskraft nimmt zu = „Qualität“) oder infektiöser (ansteckender = „Quantität“) werden.

Neben den Viren die in unsere Körperzellen eindringen und sie zerstören können sich bestimmte Retroviren auch in die DNA des Wirtes einschleusen. Damit werden sie Teil des Genoms des Menschen. Sein/ihr Erbgut wird bei jeder Zellteilung reproduziert und bei jeder Besamung/Befruchtung an die nachfolgenden Generationen weiter vererbt – das ist aus der Sicht der Evolution eine wesentlich „cleverere“ Strategie um sich weiter fort zu pflanzen, sie töten den Wirt nicht sondern werden ein Teil von ihm.

 

Zwei Beispiele wie Viren die Zellen unseres Körpers und damit uns selber schädigen:

  • Das Aids-Virus lagert sich den T-Helferzellen (das sind spezialisiert T-Lymphozyten – siehe dort) an und vermehrt sich in diesen Zellen. Da die T-Helferzellen in unserem Abwehrsystem eine wichtige Rollen haben, fallen sie aus und es entsteht eine Immunschwäche.
  • Die Spikes der Coid19 Viren lagen sich z.B. an den ACE-Rezeptoren an, die bei Zellen in der Lungen oder im Herzen vorkommen.

 

Wie kann sich unser Körper wehren?

Viren haben keinen Stoffwechsel, dadurch sind sie gegenüber vielen Umweltfaktoren immun. Trotzdem können sie vernichtet werden, sei es

  • durch Hitze, durch die Proteine in der Hülle zersetzt (denaturiert) werden,
  • durch hochprozentigen Alkohol, Säure, Basen, Virusgifte oder durch Virostatika (Medikamente):

Der wesentlichste Schutz aber betrifft unser Abwehrsystem, dass sich in den vergangenen hunderten von Millionen Jahren zu einem wahren Bollwerk entwickelt hat. Die Fähigkeiten dieses Bollwerks übersteigt unsere heutigen medizinischen Möglichkeiten um ein Vielfaches. Was wir heute können, ist es, unser Abwehrsystem zu unterstützen und den Wissenschaftlern die in diesem Bereich arbeiten die Möglichkeit zu geben unser Wissen und damit unseren Möglichkeiten einzugreifen zu erweitern.

 

Ein erstes Fazit

Auch wenn das nicht in unsere Vorstellungen einer ethischen Welt passt, Viren sind Teil der Evolution, indem sie alles Leben immer aufs Neue zwingen, sich anzupassen. Survival of the fittest. Für Menschen, deren Immunsystem sich ständig auf Virenveränderungen anpassen kann, bedeutet das einen Überlebensvorteil. Und hier sind besonders die jungen Menschen im Vorteil, weil sie mit dem Thymus ein Organ besitzen, dass der Bildung spezifischer Abwehrzellen dient.

Aus meiner subjektiven Sicht können wir Viren nicht ausrotten sondern nur ihre Vervielfältigung begrenzen und unseren Körper so vorbereiten, dass er die krankmachenden Viren effektiv bekämpfen kann. Das bedeutet aber auch, dass nur die Menschen medizinischen Beistand benötigen, deren Immunsystem zur Abwehr alleine nicht mehr in der Lage ist.

 

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