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Leben was ist das ?
Vorwort
Leben, was ist das?
Wahrscheinlich hast du dir diese Frage auch schon in jungen Jahren gestellt. Viele von uns sind mit der Geburt in eine Glaubensgemeinschaft hineingewachsen, in der die Erklärungen für unsere Existenz seit vielen Generation weitervererbt werden.
Während meiner Schulzeit, ich bin Jahrgang 1949, wurde uns noch im Religionsunterricht die Schöpfungsgeschichte aus der Bibel als Erklärung für unser Leben und unser Dasein vermittelt. Dieses Menschenbild habe ich in meiner Kindheit zusammen mit der Religionszugehörigkeit von meinen Vorfahren als ein kulturelles Erbe übernommen. Nach dem christlichen Glauben wurde der Mensch von Gott nach seinem Ebenbild erschaffen, und stand somit über der anderen belebten Natur und ihren Geschöpfen.
Die uns Kindern vermittelte biblische Schöpfungsgeschichte erklärte uns die Welt, und wir haben uns aufgrund dieser Erzählung irgendwie geborgen gefühlt.
Frei nach meinen Erinnerungen:
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Und dann begann mit dem Älter werden bei vielen von uns und vielleicht auch bei dir das Hinterfragen dessen, was der Pastor, was die Eltern oder andere uns zu vermitteln versuchten, um uns auf den aus ihrer Sicht richtigen Lebensweg zu führen. Viele blieben der Tradition ihrer Vorfahren verhaftet, andere pilgerten zu meiner Jugendzeit nach Indien um in einem Aschram „die Weite und Weisheiten des Orients“ für sich erfahrbar zu machen. Wieder andere wandten sich demonstrativ von der Religion und den Werten „ihrer Väter“ ab, um anderen Idealen oder Ideologien zu folgen. Heute suchen manche Menschen in Naturreligionen Antworten.
Schöpfungsgeschichten
Es gibt eine Vielzahl an verschiedenen Schöpfungsgeschichten, die alle auf dem Versuch basieren, die Vergangenheit der Erde und das Entstehen des Lebens für uns erklärbar zu machen. All diese verschiedenen Schöpfungsgeschichten basieren auf Interpretationen derer, die möglicherweise schon vor zehntausenden von Jahren das zu verstehen versuchten, was sie mit ihrer Alltagswirklichkeit nicht erklären konnten.
Wann sich erstmals Menschen bewusst mit der Frage beschäftigt haben warum sie leben, was für ihr Leben ursächlich ist, können wir nicht beantworten. Alle Mutmaßungen über dass, was die Menschen möglicherweise vor zehntausenden von Jahren gedacht haben, sind spekulativ. Wir können über das mutmaßen, was für das Überleben der damals lebenden Menschen wichtig war. Ihr Tun dürfte zum größten Teil wahrscheinlich eher emotional als rational zu erklären gewesen sein.
Die damals lebenden Menschen konnten vieles wie auch die Phänomene in ihrem Umfeld nicht mit ihren Alltagserfahrungen erklären. Sie mussten Naturereignisse wie ein Gewitter mit Blitz und Donner oder Naturerscheinungen über sich ergehen lassen. Deren Ursprung und Ursache dürfte für sie unerklärlich gewesen sein. Sie sahen in Wolkenformationen menschliche Gesichter die sie vielleicht an Verstorbene erinnerten oder an Tiere. Sie glaubten in Baumstämmen oder Felsformationen menschliche Gestalten zu erkennen. All das dürfte ihnen Angst gemacht haben, eine Angst vor dem Unbekannten und Unbegreiflichen.
Wir können davon ausgehen, dass die jeweiligen Schöpfungsgeschichten, sofern sie nicht auf anderen Schöpfungsgeschichten fußten, sich aus kleinsten Ideen und Fantasien entwickelt haben. Einer legte den Grundstein und viele anderen ergänzten und erweiterten diesen Anfang mit immer neuen Gedanken, Wünschen und Interpretationen. Diese Vorgehensweisen können wir auch bei den christlichen Religionen sehen, die auf wenige Aussagen und Predigten von Jesus aufbauend immer weitere Erklärungen zum Leben und zum Jenseits lieferten. Viele der Erklärungen basieren auf den Evangelien, die viele Jahre nach dem Tod Jesus erst geschrieben wurden (dazu später mehr). Wiederum viele Jahrhunderte später wurden die Religionsvorschriften dem jeweiligen Zeitgeist angepasst, d.h. was heute verkündet wird dürfte für Menschen im Mittelalter nicht nachvollziehbar gewesen sein. Die Religionen veränderten sich mit dem Zeitgeist.
Neues Denken geht häufig von Einzelnen oder wenigen aus und breitet sich, wenn die neue Weltanschauung den Bedürfnissen der Menschen gerecht wird, langsam immer mehr aus.
Dem kommt entgegen, dass viele Menschen sich eindeutige Aussagen wünschen, sie wollen ein in sich schlüssigen Weltbild, das sie übernehmen können. Das wird bei den Menschen vor 50.000 Jahren nicht anders als heute gewesen sein. Sie werden dem Menschen/Heilsbringer gefolgt sein, der sie überzeugen konnte, indem er mit seiner Lehre und vor allem mit seinen Worten den Menschen eine Zukunft voraussagte, die den Zuhörern erstrebenswert erschien.
Wahrscheinlich können wir mit Gewissheit sagen, dass die Schöpfungsgeschichten den daran glaubenden Menschen ein Gefühl der Sicherheit über die Frage nach ihrer Abstammung und nach dem Sinn ihres Daseins geboten hat. Damit erfüllten Schöpfungsgeschichten auch den Drang in uns allen, unsere Existenz nicht nur zu erklären, sondern indem sie Heilsbotschaften vermittelten, unsere Existenz über das Irdische hinaus geschützt zu wissen.
Ich erinnere mich an eine Szene in einen Film im Fernsehen, den ich mit 6 oder 7 Jahren gesehen habe und der wahrscheinlich zuvor in den Kinos gelaufen ist. In diesem Film starb ein älterer Mann, er kam in den Himmel, alles war wie in seiner irdischen Heimat, der Himmel blau, die Berge grün – alles wie er es mit seinem Tod verlassen hatte, nur schöner – und als er sich umsah kam sein vor Jahren verstorbener, geliebter Schäferhund auf ihn zugestürmt um ihn zu begrüßen. Wen würde die Szene mit dem Hund nicht berühren? Von solchen Heilslehren ließen sich früher viele Menschen leiten und lenken, denn sie versprachen ewige Glückseligkeit.
Unsere heutige Sicht
Die heutigen wissenschaftlichen Aussagen sind da viel nüchterner. Die vielen neuen Erkenntnissen haben dazu geführt, dass der Glaube an das Paradies, das noch vor Jahrhunderten von der christlichen Religion als oberste Sphäre über unserer Erde verortet wurde (Erklärung s. bitte weiter unten) unglaubwürdig wurde. Der Traumort “Paradies” kann nach heutigem Wissen nicht dort sein, von dem noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts viele Gläubige aufgrund der Lehre ihrer Religion ausgingen. Damit haben die Religionen einen Teil ihrer Jenseitslehre verloren. Wenn das Jenseits nicht dort ist, von dem die Offenbarungen ausgingen, hat dann ein postuliertes jenseitiges Wesen (Gott) wirklich einen Religionsstifter oder andere Menschen darüber aufgeklärt, was uns dort erwartet und was wir für das Erreichen dieses Wunschziels auf Erden tun müssen? Die Religionen berufen sich auf ihre Nähe zu einem Gott und verkünden wie wir zu diesem Wunschort gelangen können, Ideologien verkünden wie wir paradiesische Zustände auf der Erde schaffen können.
Mit den neuen Wissenschaftlichen Erkenntnissen, die auf Nachweise basieren, ist für viele Menschen eine heile Welt, die uns im Jenseits erwarten sollte, in sich zusammengestürzt. Unserer heutigen Gesellschaft bleiben nur die in vielen Jahrhunderten immer mehr angewachsenen moralischen und ethischen Werte als kulturelles Erbe erhalten. Aber auch diese Werte basieren auf einen Glauben, der von Menschen erschaffen wurde.
Weil es ein Leben nach dem Tod nicht zu geben scheint, versuchen viele ihre, wie sie glauben, begrenzte Endlichkeit mit möglichst vielen Erlebnissen und Eindrücken vollzupacken, um so die kurze Lebenszeit “auszukosten”.
An dieser Stelle möchte ich anhand eines Sinnbildes unsere menschliche Situation mit Hilfe eines Mosaikbildes beschreiben. Seit Menschen sich, ab wann auch immer, mit der Seinsfrage beschäftigen, versuchten sie sich ein Bild von der Wirklichkeit zu machen. Das, was einige unserer Vorfahren damit schufen war ein Mosaikbild, das nur aus ehr wenigen Wissenssteinchen bestand, die sie in einen erachten Bildrahmen positionierten.
Die vielen nachfolgenden Generationen haben nach weiteren Wissenssteinchen gesucht, die sie in diesen Rahmen einsetzten. So kam es zu immer neuen Interpretationen und Auseinandersetzungen darüber, wie das Bild aussehen und was es für eine Aussage haben könnte.
Unser Vorvorfahren haben das, was sie wussten und mit ihren Sinnen wahr nehmen konnten als gegeben angenommen. Heute müssen wir eingestehen, dass das der falsche Weg zu Erkenntnissen war – aber unsere Vorfahren hatten keine der uns heute zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ihre Sinneseindrücke zu erweitern, so sahen sie z.B. die Erde als Mittelpunk der gesamten Welt.
Heute ersetzen die Wissenschaften das Interpretieren und den Glauben durch Nachweise und durch das, was wir als gesichertes Wissen annehmen. Aufgrund dieser neuen Erkenntnisse müssen wir heute Lebenden das, was wir während unserer Sozialisation über das Welt- und Menschenbild gelernt haben, als in Teilen falsch akzeptieren. Die heute viel zahlreicheren Steinchen müssen im Mosaikbild neu geordnet werden, auch sehen wir heute, dass das Mosaikbild sehr viel größer, komplexer sein muss, als es unser Vorfahren noch mutmaßten.
Der Verlust an Gewissheiten führt bei vielen zu einer erneuten Sinnsuche. Manche suchen Erkenntnisse in anderen Religionen, andere in ein auf das weltliche bezogene Gesellschafts- und Wertesysteme (Ideologie).
Es wird in den nächsten Jahrzehnten spannend werden, wohin der Weg für die westlich und christlich ausgerichteten Gesellschaften führen wird. Die Sinnsuche innerhalb einer Gesellschaften dürften einer Gauß’schen Verteilungskurve (einer Glocke ähnlich) nahe kommen. Wenn die gesellschaftlichen Werte, die Erwartungen an ein sinnhaftes Leben und eine über das irdische Dasein hinausgehende Existenzfrage für die meisten als ausreichend beantwortet erscheint, sind die Ränder sehr niedrig, alles befindet sich in der Mitte der Glocke. Geht diese Gemeinsamkeit verloren, dann werden die Ränder immer größer, was zu Verwerfungen führt. Viele glauben, den richtigen Weg zu kennen und wollen ihre Erkenntnis durchsetzen. Ich denke, unsere heutigen gesellschaftlichen Probleme und Auswüchse sind ein Zeichen dafür, dass wir um den richtigen Weg ringen. Wenn dem so sein sollte, dann wäre das ein weiterer Entwicklungsschritt zu einer neuen Lebens- und Gesellschaftsform – oder ein Schritt in die Bedeutungslosigkeit, die viele Hochkulturen zuvor auch schon gegangen sind.
Ob unsere heutige westliche Gesellschaftsform irgendwann nur eine historische Randnotiz sein oder ob in 50 oder 100 Jahren die Historiker unsere heutige Zeit mit ihren gesellschaftlichen Verwerfungen als Beginn einer neuen Ausrichtung mit einem Eigennamen belegen, wird von uns und unserer Fähigkeit abhängen, das Richtige zu tun.
Bei mir selber haben die letzten mehr als 50 Jahre aufgrund vieler wissenschaftlicher Erkenntnisse, die ich zu allermeist von anderen übernommen habe, dazu geführt, dass sich mein Weltbild immer mehr verändert hat. Neues Wissen bringt es mit sich, dass sich damit neue Fragen ergeben, und doch hat bei mir dieses, wenn auch mit vielen Fragen versehene Wissen, zu einer inneren Freiheit und einem inneren Frieden geführt.
Aber das ist und war mein Weg. Jeder muss seinen eigenen Weg finden, wobei es mir sehr geholfen hat mich aufgrund anderer Meinungen eine eigene Meinung bilden zu können.
Ein Weg zur Erkenntnis?
Um die Frage nach dem, was Leben eigentlich ist, in Ansätzen beantworten zu können, müssen wir einen Ausganspunkt bestimmen, von dem wir dann versuchen, eine Antwort zu finden. In den nachfolgenden Kapiteln werde ich manchmal neben dem Mosaikbild einen Apfelbaum als Sinnbild unseres Weges benutzen, der sich aus einem Apfelkern zu einem stattlichen Baum mit einer Unzahl an Ästen und Zweigen entwickelt hat.
Der Apfelkern ist die Keimzelle, aus der der Baum durch unendlich viele Zellteilungen entstanden ist. Bereits bei einem kleinen Baum ist der Apfelkern, die Keimzelle des Baumes, durch eine unendliche Vielzahl an Teilungen nicht mehr von den anderen Zellen zu unterscheiden, soweit er überhaupt noch existiert. Daher können wir über diese Keimzelle (den Apfelkern) nur spekulieren.
In den Wissenschaftlern muss man häufig zwangsläufig den umgekehrten Weg gehen – statt von einer postulierten Keimzelle (Apfelkern) muss man versuchen von den Blätter über die Zweige möglichst nahe an den Ort des ursprünglichen Apfelkerns zu gelangen. Das produziert dann zwangsläufig eine riesige Anzahl an Wissensbausteinen.
Wann wurden sich die Menschen ihrer Existenz bewusst?
Wir werden wahrscheinlich nie bestimmen können, ab wann die ersten unserer Vorfahren sich mit der Frage beschäftigt haben, warum sie existieren. Dazu brauchte es der Fähigkeit Gefühle und Gedanken in Sprache umzusetzen und diese mit anderen austauschen zu können. Auch wenn die anatomischen Voraussetzungen schon vor vielen hunderttausenden von Jahren vorhanden gewesen sein dürften, so erforderte es doch einer für uns heute Lebenden extremen Anstrengung Wörter zu erfinden und aus denen eine Sprache zu entwickeln bei der alle möglichst den Sinngehalt des Gesagten in gleicher Weise verstehen. Die Sprache ist ein Kulturgut das sich über viele zehntausende von Jahren sehr langsam entwickelt hat.
Wir können mit ziemlicher Gewissheit davon ausgehen, dass die ersten Menschen, die anfingen, sich existentielle Fragen zu stellen, diese für sich nur rudimentär erklären konnten. Im Gegensatz zu heute konnten sie auf keinerlei Erfahrungswerte zurück greifen, weil ihnen die vorhergehenden Generationen kein geistiges Vermächtnis hinterlassen hatten – auch verfügten sie weder über unsere heutigen physikalischen oder biologischen Kenntnisse. Sie mussten an einem Nullpunkt anfangen. Was sie uns voraus hatten war eine Kenntnis der Natur, die die allermeisten Menschen mit der fortschreitenden Zivilisation verloren haben. Und so suchten sie in ihrem natürlichen Umfeld und in ihrer Art zu leben Antworten zu finden.
Es ist davon auszugehen, dass zu Anfang nur sehr wenige Menschen Anteil an den beginnenden Erkenntnissen und der Wissensentwicklungen gehabt haben und die meisten nur wenig Interesse daran gehabt haben dürften, weil diese Gedanken weit weg von der Alltagwirklichkeit gewesen sein dürften. Das kann man am Beispiel der letzten Jahrhunderten belegen. Neue Erkenntnisse wurden häufig erst nach vielen Generationen Teil des Allgemeinwissens.
Die Frage nach der eigenen Existenz steht in enger Beziehung zum „sich bewusst werden“. Also einer höheren geistigen Leistungsfähigkeit, die erlernt werden muss. Während uns viele Emotionen mit in die Wiege gelegt werden, müssen wir rationales Denken und das Reflektieren durch Üben erlernen.
Im Gegensatz zu unseren Vorfahren gehen heute WissenschaftlerInnen davon aus, dass auch andere Arten im Tierreich eine Art von Bewusstsein besitzen. Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass die Entstehung eines ersten Bewusstwerdens viele Millionen von Jahren zurück liegt und innerhalb der jeweiligen Art durch Vererbung weiter gegeben worden ist. Ein Bewusstsein kann sich aber auch bei jeder Art selbständig ausgebildet haben. Wie die organischen Voraussetzungen für das “sich bewusst werden” an nachfolgende Generationen vererbt wird, ist noch nicht erforscht. Dabei dürfte auch die Sozialisation für die Ausbildung des Bewusstseins eine Rolle spielen.
Es ist wahrscheinlich, dass die ersten Fragen nach der eigenen Existenz eher emotionalen als rationalen Ursprungs gewesen waren. Emotional, weil die Menschen die während der Steinzeit lebten, Phänomene in ihrem Umfeld, die sie sich mit ihren Alltagserfahrungen nicht erklären konnten, als gegeben hinnehmen mussten. Dazu gehörten Naturerscheinungen wie ein Gewitter mit Blitz und Donner oder andere Naturereignisse, deren Ursprung für sie unverständlich und mit ihrem Alltagswissen nicht erklärbar gewesen sein dürften. Manche könnten in bestimmten Wolkenformationen menschliche Gesichter zu erkennen geglaubt haben, die sie vielleicht an Verstorbene erinnerten, andere könnten in Baumstämmen oder Felsformationen menschliche Gestalten zu erkennen geglaubt haben und waren hilflos wie sie das deuten sollten. All das könnte Ängste in den Menschen ausgelöst haben.
Eine Angst kann man mildern, indem man etwas konkretisiert, z.B. den Donner oder Blitz personalisiert, oder ihm einen Grund zuordnet. Die ersten Menschen die für sich einen Naturglauben erschufen, haben möglicherweise im Blitz und im Donner den Unwillen von menschenähnlichen Wesen oder Verstorbener aus einer überirdischen Welt gesehen, die so ihren Unwillen über das kund taten, was ihnen bei den lebenden Menschen nicht gefiel.
Die Sicht auf die Welt verändert sich
Die meisten Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass die Nomaden vor 20.000 Jahren und wahrscheinlich noch weiter zurückliegend, an verschiedene Naturreligionen glaubten, mit denen sie sich das für sie Unerklärliche zu erklären versuchten. In diesen Naturreligionen bevölkerten Geister, Dämonen, Elfen usw. eine überirdische Welt. Wenn nicht beweisbar, so gehen doch viele Wissenschaftler davon aus, dass die Menschen an eine Geisterwelt glaubten, die sie irgendwo über der Erde ansiedelten. Daraus soll sich irgendwann der Glaube an einen Himmel als oberste Schicht über der Erde entwickelt haben. Als Gegenpol zur Welt des Himmels mit seinen Geistwesen sahen sie eine Schattenwelt die sie im Erdinneren verorteten, In den teilweise unergründlichen, weil nicht begehbaren Höhlen und in den Ausbrüchen der Vulkane und Geysire sahen sie den Eingang bzw. den Schlund zum Reich des Bösen, was wir heute als Hölle bezeichnen.
Heute nehmen viele an, dass sich infolge der neolythischen Revolution vor etwa 12.000 Jahren nicht nur die gesellschaftlichen Strukturen sondern auch das Bild von der überirdischen Geisterwelt verändert habe.
Der Übergang von kleinen Sippen und Gruppen, die als Nomaden lebten, zu immer größeren Gruppen, die in späteren Jahrtausenden teilweise in Städten zusammen lebten, erforderte ganz neue gesellschaftliche Strukturen (wobei als Städte bereits Ansammlungen von 2.000 Menschen bezeichnet werden). Im Gefolgte der neuen Lebensbedingungen scheinen sich auch die Vorstellungen der überirdischen Welt immer mehr verändert zu haben. War das die Ursache dafür, dass aus einer Welt der Geister und Dämonen eine Götterwelt entstand, die hierarchisch so gegliedert war wie die weltliche Macht? Über diese Gedanken und mögliche Antworten werde ich in den nachfolgenden Kapiteln spekulieren und Begründungen herzuleiten versuchen.
Viele dieser ersten Erklärungsversuche, die sich im Laufe vieler zehntausender von Jahren zu einem Weltbild zusammen fügten, bildeten den Ausgangspunkt für unser heutiges Verständnis unseres Universums und unseres Lebens. Auch wenn vieles von dem, was unsere Vorfahren annahmen immer wieder revidiert oder erweitert werden musste, so haben sie damit doch den Keim gelegt auf dem unsere heutige Sicht auf unser Universum und den Sinn unseren Lebens aufbaut.
Sinnbild für die Irrungen und Wirrungen bei der Entwicklung
Was ich damit meine, möchte ich an einem Sinnbild verdeutlichen.
Nehmen wir an, dass alles Wissen dieser Welt Platz in einem Mosaikbild findet. Wir kennen aber weder das, was das Bild zeigt, noch die Größe dieses Bildes. Für die Menschen, die sich erstmals über den Sinn des Lebens Gedanken und damit sinnbildlich über das Mosaikbild Gedanken gemacht haben, bestand das Bild aus einer leeren Fläche. Wenn wir ihre Gedanken als Steinchen bezeichnen wollen, dann haben sie versucht mit den gefundenen oder erdachten Steinchen die Fläche des Mosaikbildes zu füllen.
Menschen, die glaubten, die richtigen Steinchen gefunden haben, versuchten sie in diese Fläche so einzufügen, dass sie ein sinnvolles Bild ergaben. Meinungsstarke oder von ihrem Glauben an eine überirdische Welt Beseelte dürften dann die Interpretation des Bildes übernommen haben. Bei einer so geringen Wissensbasis, die die Menschen vor Christi hatten, ist der Interpretation Tür und Tor geöffnet.
Mit den Jahrzehntausenden und besonders im letzten Jahrhundert hat sich unsere Sicht auf das Mosaikbild immer wieder verändert, vieles musste neu geordnet werden. Und immer gab es Diskussionen über die Lage von Steinchen und wie das Bild aussehen würde.
Je mehr „Steinchen“ wir haben, desto mehr wächst die Gewissheit, dass dieses Bild, das wir uns von unserem Dasein machen, viel größer sein muss als es unsere Vorfahren noch glaubten. Wissenschaftler vermitteln uns mit ihren Forschungsergebnissen und Interpretationen ein Bild von dieser Welt und von uns Menschen, das vom Einfachen ausgehend immer komplexer wird. Es ist wie bei dem schon erwähnten Apfelbaum, der aus einem Apfelkern entsteht und durch milliardenfache Zellteilungen ab einem bestimmten Zeitpunkt neben einer Unzahl an Ästen und Blättern auch Früchte trägt.
Stelle dir diesen großen „Apfelbaum“ als unser heutiges Universum vor. Wenn die Annahmen der Physiker richtig sind, dann entstand unser Universum durch einen sogenannten „Urknall“. Heute versuchen wir zu ergründen, was die „Keimzelle“ dieses Urknalls gewesen sein könnte, welche inneren Gesetze dafür verantwortlich sind, dass aus dieser postulierten kleinen Materiekugel ein sich immer mehr vergrößerndes und ein sich immer mehr differenzierendes Universum geworden ist. Und vor allem auch, was ursächlich für diese “Keimzelle” gewesen sein könnte.
Unsere heutige Wissenschaftsgesellschaft erscheint mir mit all dem Wissen, dass Wissenschaftler zwischenzeitlich angesammelt haben, wie das schon erwähnte Mosaikbild, dass ich als Wissensbild bezeichne. Nur existiert dieses Wissensbild nicht aus kleinen Mosaiksteinchen, sondern aus einer unendlich erscheinenden Vielzahl kleiner Wissens-Steinchen, die wir Menschen überall, teilweise sehr mühsam suchen mussten und müssen. Weil wir keine Ahnung haben, wie das „Wissensbild“ aussehen könnte, kommt es bei all den gefundenen Wissenssteinchen zu Diskussionen, wo das jeweilige Steinchen platziert werden sollte und wie das Bild in seiner Gesamtheit aussehen könnte.
Unsere Vorfahren konnten diese Fragen mit ihrem Wissen nicht beantworten, und nutzen als Hilfsmittel ihre Alltagserfahrungen, Vermutungen, Wünsche, Fantasien mit denen sie sich ein Erklärungsmodell, ihre Religionen schufen.
Die Grundsteine unserer heutigen Gesellschaft
Dass wir heute in vielen Bereichen über ein relativ fundiertes Wissen verfügen und uns Fragen stellen können, die noch vor Jahrzehnten wegen des fehlenden Wissens nicht denkbar waren, liegt wie erwähnt, auch an der Vorarbeit unserer Vorfahren, die den Grundstein für unser heutiges Denkgebäude legten. So hat jede nachfolgende Generation auf das, was die Vorfahren zu wissen glaubten, aufgebaut.
Es war wie beim Bau eines Hauses. Mit den Generationen wuchs das Wissens- und Glaubensgebäude. Dabei kam es häufig vor, dass um beim Hausbau zu bleiben, so manches wieder eingerissen werden musste oder in sich zusammenstürzte, weil die Annahmen und die Ansätze, die “statischen” Berechnungen falsch waren und damit auch die Folgerungen. Ein herausragendes Beispiel ist das ptolemäische Weltbild, das unser Erde die Sonderrolle in unserem Sonnensystem zuwies, die Sonne und die Planeten kreisten nach diesem System um die Erde. Das ptolemäische Weltbild bildete auch die Grundlage für die Grundaussagen des Christentums zu unseren Umwelt.
Vieles an Ideen, Wissen und Gedanken von Menschen, die vor unserer Zeitrechnung lebten, dürfte in den Jahrtausenden wieder verloren gegangen sein, weil es keine schriftlichen Zeugnisse davon gab und geben wird. Anderes wird verworfen worden sein, weil etwas als falsch angesehen wurde oder diese Erkenntnisse z.B. aus machtpolitischen- oder religiösen Gründen nicht gewollt waren, da sie Bestehendes bedrohten. Auch dürfte vieles naturwissenschaftliches Wissen verloren gegangen sein, weil man bis in die Neuzeit glaubte, dass man über die Religion alles erklären könnte.
Neues Denken
Heute gehen auch viele Vertreter der christlichen Religionen davon aus, dass sich alles Leben, einschließlich des menschlichen Lebens, als Teil einer Evolution aus einfachsten Anfängen entwickelt hat.
Sich vorzustellen, wie aus einer kleinen Ur-Zelle vielzelliges Leben erwachsen konnte, sprengt eigentlich unsere Vorstellungkraft. Und doch erleben wir im Alltag, wie schnell sich etwas entwickeln kann. Ich war 17 Jahre alt, als ich einen Computer besichtigen durfte, der so groß wie ein großes Wohnzimmerschrank war. Den Raum in dem er stand, konnte man nur durch eine gläserne Tür betreten – wir Besucher durften ihn nur durch die Glastür besichtigen. Der Computer erhielt seine Informationen über Lochkarten und stanzte die Ergebnisse seiner Rechenoperationen auf Lochkarten aus. Der Mitarbeiter beschreib uns diesen Computer als ein Wunderwerk und wir Besucher sahen es nicht anders.
Heute, fast 60 Jahre später, ist ein Smartphone weitaus leistungsfähiger als es dieser Computer war. Heute stehen wir am Beginn der künstlichen Intelligenz und diskutieren über das Für und Wider. Die Entwicklung im Bereich der Hard- und Software hat sich in den letzten 60 Jahren rasant entwickelt. Diese wenigen Jahrzehnte steht eine Zeitspanne von etwa 3,5 Milliarden Jahren gegenüber, in der sich das, was wir als Natur bezeichnen immer weiter entwickelt hat. Es ist eine Entwicklung die wir heute erst in Bruchstücken zu begreifen beginnen.
Viele gehen heute immer noch von der Vorstellung aus, dass nur ein Gott oder wir Menschen Neues erschaffen können. Die Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte zeigen uns, dass das eine naive und eine sich selbst überschätzende Sicht ist, die auf dem geringen Erfahrungshorizont unserer Vorfahren basiert. Uns Menschen stehen heute auch nicht ansatzweise die Fähigkeiten und Möglichkeiten dessen zur Verfügung was wir als Natur bezeichnen. Wir sollten als Menschheit stolz auf das sein, was wir zusammen bisher erreicht haben aber auch Demut vor dem empfinden was uns umgibt.
Im Wandel der Zeit
In den letzten fünf Jahrhunderten haben wir Menschen immer mehr die Fähigkeit entwickelt unsere Sinneseindrücke zu erweitern. Unsere Vorfahren gingen davon aus, dass sie alles was uns umgibt mit ihren Sinnesorganen (Augen, Ohren, Nase usw.) erfassen könnten. Ausnahme war nur die Jenseitige Welt die sie zu interpretieren versuchten. Heute haben wir von TechnikerInnen und WissenschaftlerInnen konstruierte Hilfsmittel, die uns Einblicke in eine Welt verschaffen, die unseren Vorfahren verborgen war. Als zwei von vielen Beispiel verweise ich auf das Mikroskop und seine Nachfolgemodelle, das uns den Mikrokosmus erschließt oder auf das Teleskop, das uns immer detailliertere Erkenntnisse über das Weltall liefert.
Heute verfügen wir über eine riesige Vielzahl an hochkomplexen Apparaturen die uns Einblicke ermöglichen, die wir nur durch sie für uns erfahrbar machen können. Vor allem durch diese Apparaturen ist unser Wissen so exponentiell angewachsen, dass Wissenschaftler heute nur noch einen kleinen Ausschnitt des Wissensgebäudes fachlich überblicken können.
Es ist eine Entwicklung von den Steinzeitmenschen mit ihren begrenzten handwerklichen Fähigkeiten zur heutigen Gesellschaft mit komplexen Gesellschaftsstrukturen und wissenschaftlichen Erkenntnissen, die uns Tätigkeiten ermöglichen, die nicht den Möglichkeiten unseres Körpers entsprechen.
- Wir können heute nach vielen vergeblichen Versuchen und dem Einbringen von vielen verschiedenen Ideen höher und weiter fliegen als alle Vögel, wenn auch nur mit von uns entwickelten Fluggeräten,
- wir können tiefer tauchen als die Fische, wenn auch nur mit U-Booten,
- wir können wie die Fledermäuse Töne im Ultraschallbereich aufnehmen, die für unser Gehör nicht wahrnehmbar sind,
- wir haben Techniken ent- und immer weiterentwickelt, mit denen wir immer tiefer in die Mikro- und Makrostrukturen unseres Universums einzutauchen in der Lage sind, viel tiefer als wir es alleine mit unseren Sinnen könnten,
- wir haben Hilfsmittel ersonnen, die eine solch komplexe Technik beinhalten, dass nur wenige von uns noch in der Lage sind, sie zu bedienen oder zu reparieren,
- wir haben ein Wissen erworben, das es uns ermöglicht über den Sinn unseres Daseins anders zu reflektieren, als es unseren Vorfahren möglich war,
- wir haben Waffen entwickelt, die zerstörerischer und vernichtender sind als jeder Vulkanausbruch,
Vieles was unsere menschliche Vorgeschichte betrifft, ist bei den damit befassten WissenschaftlerInnen häufig umstritten. Dass, was wir heute in den Medien über diese Zeit lesen und was als Stand der Wissenschaften öffentlich beschrieben wird, kann die Meinung eines meinungsstarken und durchsetzungsbereiten Wissenschaftlers/Wissenschaftlerin sein – viele andere Hypothesen und Meinungen nehmen wir ohne die öffentliche Präsenz von anderen WissenschaftlerInnen nicht wahr.
Und nun hoffe ich auf einen regen Austausch und viel kritische Resonanz zu dem von mir Geschriebenem.
Udenheim im August 2024
Karl Josef Moll
